"Schneider hatte zwar 1935 - wie er auf Befragung mir gegenüber ausgeführt hat - in Königsberg promoviert und darüber eine Bescheinigung der Fakultät erhalten. Deshalb taucht er in den Akten als Dr. Schneider auf. Seine Doktorarbeit über Turgeniew hatte er jedoch anschließend noch bearbeiten wollen, diese Bearbeitung allerdings nie fertiggestellt. 1944/45 sei die Arbeit dann verlorengegangen." 3
"Erst nach Empfang des Doktorbriefs ist er (der Geprüfte, G.S.) berechtigt, den Doktortitel zu führen." 6
"Schon musikalisch war es ein hübscher Kontrast. Drinnen in der Aula beim Festakt wurde Wohlklang der Romantik gegeben - die Prominenz bis hin zu Landesvater Rau lauschte Mendelssohn-Bartholdys <Der Lobgesang>. Draußen dröhnte deutlich rustikaler Wagners wuchtiger Walkürenritt aus den Lautsprechern der etwa 200 studentischen DemonstrantIn-nen. Drinnen begrüßte der TH-Rektor die <hochansehnliche Festversammlung>, draußen stand zu lesen: <Hier tanzen die Täter auf den Gräbern der Opfer.> Kein Zweifel: Die Mitglieder der Technischen Hochschule Aachen feiern den 125. Geburtstag ihrer Lehranstalt recht unterschiedlich.
Doch das drastische Moment des Tages war mit Beginn der offiziellen Festlichkeiten schon passé. Mitten zwischen den vorfahrenden Limousinen der Prominenz hatte sich die Edelkarosse gemischt, der direkt vor dem Hauptportal drei Figuren in vollem SS- und SA-Wichs entstiegen. Sie schlugen die Hacken zusammen, marschierten umher und erbaten sich den Hitlergruß. Hans Ernst Schneider schien samt Gefolge zurückgekehrt.
(...)
Die Affaire Schwerteschneider hatte wie keine zweite die Nachkriegsgeschichte der TH erschüttert und ist seitdem Beleg für die ungebrochene Unfähigkeit im Umgang mit jenen besonderen zwölf Jahren. (...)
50 Jahre später arbeitet dort selbst - intern - seit Monaten ergebnislos eine Untersuchungs-kommission. Nach wie vor weiß die Öffentlichkeit nicht, wer denn alles vom Nazi-Kuckucksei S.-S. wußte, ob wirklich schon Ende der sechziger Jahre intern vom <Hans-Ernst-Schneider-Inistitut> gewitzelt wurde, wer wen protegiert oder möglicherweise erpreßt hat und wer beteiligt war, als Schneider alias Schwerte 1965 seinen Ruf nach Aachen bekam.
Womöglich Schneiders SS-Spezi Arnold Gehlen? Nach aktuellen Recherchen des Stadtmagazins Klenkes war auch der prominente deutsche Soziologe wesentliche intimer in die NS-Strukturen eingewoben als bislang gedacht. Dokumente belegen die SA-Mitgliedschaft des Gründungsrektors des Aachener TH-Soziologie-Instituts und seine Verbindungen zum SS-Amt <Ahnenerbe>. Genau dort war Schneider federführend tätig. (...) [Rektor] Habetha nennt die Nachforschungen von außen eine Behandlung von (Schein)Pro-blemen der Vergangenheit. Denn: <Permanente Selbstreflexion> mache <unfähig> für das heutige und morgige Leben. Und über die braunen Verstrickungen seiner Anstalt weiß er: <Die Täter standen ja auf studentischer Seite. Die Studenten waren es, die damals ultimativ gesagt haben, der und der Professor ist Jude, bei dem wollen wir nicht mehr hören.> Im neuesten Vorlesungsverzeichnis und auch in der diese Woche erschienenen Festschrift der TH ist übrigens, als besonderes Kontinosum deutscher Geschichte, immer noch ein gewisser Hans Schwerte als Ex-Rektor und Ex-Ehrensenator aufgeführt. In seinem Festvortrag nannte Habetha dessen widerwärtige Karriere ein <deutsches Schicksal>. Es gab Beifall" 9
96/97 Gerd Simon | BORDER=0> |
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